Bundesweiter Ärzte-Check: Hier haben Patient:innen die höchsten Chancen auf ein Cannabis-Rezept
Seit 2017 ist die Verschreibung von medizinischem Cannabis in der Schmerztherapie und bei anderen Erkrankungen wie Schlafstörungen und Depressionen erlaubt. Doch wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ärzte und Ärztinnen Cannabis tatsächlich verschreiben? Um das herauszufinden, haben wir 400 Allgemeinärzte und -ärztinnen aus den 20 größten Städten Deutschlands um eine Beratung für eine Cannabis-Therapie gebeten.
Für die Anfrage haben wir uns eine fiktive Patientin ausgedacht, die unter Schlafstörungen leidet:
Kaum ein Arzt oder Ärztin bietet eine Therapie mit Cannabis an
Von den insgesamt 400 kontaktierten Arztpraxen haben lediglich 185 überhaupt geantwortet, was weniger als die Hälfte ausmacht. Von diesen 185 teilten 158 per E-Mail mit, dass sie keine Behandlung mit Cannabis anbieten. Lediglich 27 der befragten Arztpraxen zeigten sich offen für das Thema. Sie boten unserer fiktiven Patientin entweder eine Beratung oder einen Termin an bzw. lehnten nicht sofort ab. In den Städten Dresden, Duisburg, Hamburg, Hannover, Stuttgart und Wuppertal erhielt unsere Patientin keine einzige positive Rückmeldung auf ihre Anfrage. Hannover und Bochum sowie Wuppertal wiesen mit 14 bzw. elf negativen Rückmeldungen die höchste Anzahl an Absagen seitens der Mediziner:innen auf.
Ärzt:innen aus Münster und Düsseldorf boten die meisten Termine
Jeweils vier Ärzte und Ärztinnen in Münster und Düsseldorf zeigten sich offen für eine Cannabis-Therapie. In Münster wiesen jedoch zwei der Mediziner:innen bereits in ihren Antworten darauf hin, dass es Hürden im Zusammenhang mit einer Cannabis-Therapie gibt. Ein Arzt betonte, dass die Preise in Apotheken im Vergleich zu Schwarzmarktpreisen nicht angemessen seien und im Durchschnitt bei etwa 10.000 Euro pro Patient und Jahr lägen. Daher gebe es bei Schlafstörungen kaum Aussicht auf Erfolg bei einem Antrag bei der Krankenkasse. Ein anderer Arzt unterstrich die Notwendigkeit, die Verschreibung von medizinischem Cannabis bei der Krankenkasse zu beantragen. In Düsseldorf hingegen informierte ein Arzt, dass Cannabis-Verschreibungen nur mit Privatrezepten möglich seien.
Unser CEO Philip Schetter erklärt: „Cannabisblüten von Cantourage gibt es mittlerweile bei spezialisierten Versandapotheken für deutlich unter zehn Euro pro Gramm und damit unterhalb des gängigen Schwarzmarktpreises. Außerdem können Ärzte und Ärztinnen Cannabis verschreiben, ohne dass die Krankenkasse einwilligt. Wie auch einer der Ärzte aus Düsseldorf vorgeschlagen hat, ist dies über ein Privatrezept möglich."
Falsche Aussagen von den Praxen
Ein Arzt aus Köln teilte mit, dass eine Behandlung von Schlafstörungen mit medizinischem Cannabis nicht möglich und der Einsatz auf chronische Erkrankungen und Schmerzen beschränkt sei. In einer Berliner Praxis wurde darauf hingewiesen, dass Cannabis nicht als Schlafmittel zugelassen sei. Eine weitere Praxis in der Hauptstadt informierte die Patientin, dass sie medizinisches Cannabis nur an Palliativpatient:innen verschreiben könne. Eine Praxis aus Leipzig erklärte ebenfalls, dass für die Indikation unserer Patientin eine Cannabis-Therapie nicht zugelassen sei, da dies streng reglementiert und überprüft werde.
Florian Wesemann, medizinischer Direktor der Telecan°, kommentiert die Reaktionen der Ärzte und Ärztinnen: „Dass Cannabis bei Schlafstörungen nicht eingesetzt werden kann, ist schlichtweg falsch. Cannabis kann indikationsoffen verschrieben werden und vor allem bei chronischen Schmerzen, Schlafstörungen, Migräne, ADHS, Depressionen und anderen Krankheiten helfen. Im Falle einer Schlafstörung kann es für leichteres Einschlafen und längeres Durchschlafen sorgen.” Telecan° wurde als Tochterunternehmen von Cantourage im September 2023 gegründet und ist eine Telemedizin-Plattform für medizinisches Cannabis. Auf der Plattform können sich potenzielle Patient:innen von qualifizierten Ärzten und Ärztinnen zu einer Cannabis-Therapie beraten und sich gegebenenfalls THC-Produkte verschreiben lassen.
Absagen als Resultat von fehlendem Bewusstsein und Fachwissen
Häufig gaben Ärzte und Ärztinnen an, dass ihnen für eine Beratung spezifische Fortbildungen und Qualifikationen fehlen würden. Die Mehrheit der Praxen antwortete jedoch lediglich, dass sie weder Beratungen anbieten noch Cannabis verschreiben. Ein Arzt aus Frankfurt verwies uns an Praxen, die auf Cannabistherapie spezialisiert sind. Oftmals wurde auf Krankenkassen, Psychiater:innen, Neurolog:innen oder Schmerztherapeut:innen hingewiesen.
„Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass nicht alle Ärzte und Ärztinnen einer Cannabis-Therapie gegenüber aufgeschlossen sind”, fasst Philip Schetter zusammen. „Wird medizinisches Cannabis im Zuge der Legalisierung aus dem Betäubungsmittelgesetz (BTMG) genommen, wie es der aktuelle Gesetzesentwurf vorsieht, reduzieren sich hoffentlich auch die Berührungsängste vieler Mediziner:innen mit medizinischem Cannabis, sodass Patient:innen einen einfacheren Zugang zu einer Cannabis-Therapie erhalten.”
Über die Untersuchung
Cantourage hat jeweils 20 Allgemeinmediziner:innen in den 20 größten deutschen Städten angeschrieben und gefragt, ob sie Beratungen zur Cannabis-Therapie anbieten bzw. medizinisches Cannabis verschreiben. Die fiktive Patientin, für die die Praxen angeschrieben wurde, heißt Lisa Wagner, ist 29 Jahre alt und leidet seit der Schulzeit an Schlafstörungen. In der Anfrage wurden die Ärzte und Ärztinnen darüber informiert, dass sie in den vergangenen zehn Jahren schon bei mehreren Ärzten und Ärztinnen in Behandlung war und verschiedene Medikamente verschrieben bekommen hat, darunter auch Lormetazepam und Opipramol. Die Patientin möchte aber auf pflanzliche Mittel zurückgreifen. Medikamente, die beispielsweise Baldrian oder Johanniskraut enthalten, hätten bisher keine Wirkung gehabt.